Rezensionen zu "Lise Meitner - Eine Frau geht ihren Weg" (2007 bei Salzer /Kaufmann):

Helmut Hornung, Presseabteilung der Max-Planck-Gesellschaft schrieb So entsteht das lebendige. Bild einer starken Frau.

in www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/multimedial /.../2008/..

 

 

Und

Der letzte noch lebende Schüler von Frau Prof. Meitner, langjähriger Direktor des CERN, Prof. Herwig SCHOPPER unter „Kernphysik in der Holzwerkstatt“ in  Spektrum der Wissenschaften im März 2008: www.spektrumverlag.de/artikel/943148    bzw.

www.wissenschaft-online.de/artikel/942658

 

 

Leseprobe

 

Am Silvestermorgen war Lise so vertieft, dass sie ihren Neffen gar nicht bemerkte, der sich zu ihr an den Frühstücktisch setzte. Sie las Otto Hahns neuesten Brief und die Kopie des Manuskripts, das am 22. Dezember 1938 zur Veröffentlichung an Die Naturwissenschaften abgeschickt worden war.

‚Ich will dir noch schnell einiges über meine Ba-Phantasien etc. schreiben. Vielleicht ist Otto Robert bei dir in Kungälv, und ihr könnt ein bisschen darüber diskutieren. Das Manuskript unserer Arbeit wirst du nachgeschickt bekommen haben … Wäre es möglich, dass das Uran 239 zerplatzt in ein Ba und ein Masurium? Es würde mich natürlich sehr interessieren, dein offenes Urteil zu hören. Eventuell könntest du etwas ausrechnen und publizieren.’

Otto Robert zweifelte zuerst an der Richtigkeit der Ergebnisse von Hahn und Straßmann. Lise kannte aber ihren Kollegen zu genau: „Wenn Hahn so etwas behauptet, dann muss bei seinen langen Erfahrungen etwas dran sein.“

Sie war so aufgeregt, dass es sie nicht mehr auf dem Stuhl hielt. Otto Robert schnallte sich seine Skier unter. Lise wettete, dass sie ohne Bretter genau so schnell wäre. Was auch der Fall war. Noch schneller als ihre Beine liefen ihre Gedanken. War es denkbar, dass schwere, unstabile Kerne zerknallen konnten?

  Überlegen wir   mal, wie das Barium aus einem Uran-Kern entstanden sein könnte. Du kennst doch das Tröpfchen-Modell?“

„Ja. Es vergleicht den Atomkern mit dem Tropfen einer sehr zähen Flüssigkeit.  Damit soll erklärt werden, dass die Oberflächenspannung die Protonen und Neutronen im Kern zusammen hält, quasi in einer Kugelform.“

Während Lise flott neben ihrem Ski laufenden Neffen herlief, spann sie die Idee weiter: „Demnach gleicht der instabile Uran-Kern einem großen, dicken, in Schwingung geratenem Flüssigkeitstropfen, der sich an der Taille einschnürt. Und bei der geringsten Provokation, wie dem Aufprall eines Neutrons, wird so ein wackelnder, unstabiler Tropfen aus dem Gleichgewicht gebracht. Und dann zerfällt er an der Taille in zwei etwa gleich große Teile. Damit hätten wir doch eine schöne Spaltungstheorie.“

„So wie eine Zelle, die sich teilt.“

„Nimm an, dass tatsächlich ein Uran, Kernladung 92, zerplatzt und wirklich Barium, Nr. 52, entstanden ist, dann müsste sich das Element Nr. 40 als zweites Spaltprodukt bilden – das Edelgas Krypton. Kein Masurium. Nicht das Atomgewicht, wie Hahn annimmt, sondern die Kernladungszahl, also die Anzahl der Protonen im Kern,  bestimmt, was daraus entsteht.“

„Hm. Die beiden positiv geladenen Bruchstücke müssen sich gegenseitig mit hoher Geschwindigkeit abstoßen. Aber woher nehmen sie die Energie dafür?“

Lise erinnerte sich an die Formel zur Berechnung der Kernmassen. Die beiden neuen Kerne waren leichter als der Ausgangskern, und zwar betrug der errechnete Unterschied  etwa ein fünftel Protonenmasse.

„Damals in Salzburg, als ich Einstein zum ersten Mal begegnete, da hatte er mich mit seiner Idee der Umwandlung von Masse in Energie beeindruckt. Bei Prozessen, bei denen die Geschwindigkeit der beteiligten Teilchen so groß ist, dass sie der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar wird, da sollte diese Gleichung gelten. Das ist bei so einer Kernreaktion der Fall. Die verschwundene Masse multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, das soll der frei gewordenen Energie entsprechen. Hast du was zum Schreiben? Komm, das müssen wir ausrechnen!“

Im tief verschneiten Wald hockten Tante und Neffe sich auf einen Baumstumpf. Auf kleinen Zetteln, die sie in ihren Manteltaschen fanden, errechneten sie, dass die Ladung des Uran-Kerns tatsächlich genügte, um die Oberflächenspannung, die den Kern zusammen hielt, vollständig zu überwinden. Und das Resultat nach Einsteins Formel ergab 200 Millionen Elektronen-Volt. Eine unvorstellbar große Energie!

„Puh, das wäre viel! Sehr viel mehr, als je bei Kernreaktionen gemessen worden ist!“ 

Otto Robert war noch immer skeptisch. „Dann müsste ja schon jedes Uranbergwerk in die Luft geflogen sein! Ein paar Neutronen gibt es doch sicher überall.“ Aber gleich sah er selber ein, dass die Masse eines Bergwerks sehr rasch die Neutronen verschlucken und damit unschädlich machen würde.

Bei Lise waren nun die letzten Zweifel verschwunden: Der Atomkern wurde in zwei Teile gesprengt. Enthusiastisch sprang sie auf. „Was für aufregende Resultate! Ach, das ist ein Meisterstück radioaktiver Chemie, dass Hahn und Straßmann dieser Nachweis gelungen ist.“

‚Lieber Otto, ich beginne das neue Jahr mit einem Brief an Dich – möge es für alle, die uns angehen, ein gutes Jahr werden. Wir haben Eure Arbeit sehr genau gelesen und überlegt, vielleicht ist es energetisch möglich, dass ein so schwerer Kern zerplatzt.’

Und zwei Tage später: ‚Ich bin jetzt ziemlich sicher, dass ihr wirklich eine Zertrümmerung zum Barium habt, und finde das ein wirklich wunderschönes Ergebnis, wozu ich dir und Straßmann sehr herzlich gratuliere. … Jedenfalls habt ihr ein weites, schönes Arbeitsgebiet jetzt vor euch. Und du kannst mir glauben, dass, wenn ich auch jetzt mit sehr leeren Händen dastehe, ich mich doch über die Wunderbarkeit dieser Befunde freue.’